Hallo zusammen,
Direkt auf mein zweites Wochenende hier in Südafrika fiel
ein wichtiger Feiertag für die Südafrikaner: National Heritage Day, oder auch
National Braai Day genannt. Dieser ist immer am 24. September. Am Tag zuvor hat
mich Glen, der Mann meiner Mentorin, abgeholt und ich habe das Wochenende in
Strandfontein verbracht. Am Freitagabend haben die beiden mich netterweise mit
zu einer Geburtstagsüberraschungsfeier von einem Mann namens Alec aus der
Kirchengemeinde mitgenommen. Dort gab es sehr viel Essen, das hat mir sehr gut
geschmeckt, und der Abend war generell sehr schön.
Die Esserei ging am nächsten Tag direkt weiter. Der
National Heritage Day wurde zum ersten Mal am 24. September 1995 gefeiert. An
diesem Tag sollen die Menschen in Südafrika sich der vielen unterschiedlichen
Traditionen in ihrem Land bewusst werden und sie zelebrieren. Durch eine
Werbekampagne im Jahr 2005 wurde die Tradition des „Braais“ an diesem Tag
eingeführt. Braais sind Barbecues, bei denen sehr viel Fleisch gegrillt wird.
Neben dem leiblichen Wohl steht aber der soziale Aspekt im Vordergrund. Ich war
am National Braai Day bei einem Familien-Braai zusammen mit meiner Gastoma in
Strandfontein. Leider war es noch sehr kalt, sodass man auf die Dauer draußen
doch gefroren hat. Gegen Abend haben wir noch Spiele zusammen gespielt: Zuerst
30 seconds, das ein wenig wie Tabu funktioniert. Man muss innerhalb von 30
Sekunden möglichst viele Begriffe erklären, die das Team erraten muss. Das
artet dann meistens in Geschrei aus, weil jeder den Anderen übertönen will. Im
Anschluss daran haben wir noch Jenga gespielt, wo ich dank langjährigem
Training mit Mama ungeschlagene Siegerin wurde.
Am nächsten Morgen bin ich wieder mit in die Kirche
gegangen. Dort habe ich meine Mentorin Rosy, die die Orgel spielt, mit meiner
Flöte begleitet. Das Spielen habe ich doch noch nicht ganz verlernt. Außerdem
hat die Kolpingfamilie an dem Tag Bacon and Egg Rolls, also Brötchen mit
Schinken und Ei, verkauft. Dort habe ich erst bei der Zubereitung und später
beim Verkauf geholfen. Ich muss ja meiner Bäckerkarriere weiter führen.
Allerdings wären meine ehemaligen Mitarbeiterinnen in Deutschland wohl sehr
entsetzt über die Brot- und vor allem Brötchenvarietät hier in Südafrika:
Meistens findet man nicht ein einziges Körnchen anderes Getreide als Weizen in
den Produkten. Ich muss zugeben, dass mir das doch ein bisschen fehlt. Ein
schönes, körniges Brötchen mit Frischkäse… Über das Essen hier würde ich aber
gerne noch einen separaten Blogpost machen. Am Sonntagmittag sind Rosy, Glen
und ich dann nach Belleville im Norden von Kapstadt zu deren Tochter und ihrem
einjährigen Sohn gefahren. Zunächst gab es Mittagessen (schon wieder Essen),
und danach sind mir nach Milnerton gefahren. Dort gibt es fast direkt am Strand
einen großen Flohmarkt, und beim Stöbern hat man einen wunderbaren Blick auf
den Tafelberg. Dieser Blick wird vom Milnerton Beach sogar noch getoppt. Beim
Sonnen kann man neben dem Tafelberg auch noch Robben Island und die Victoria
& Alfred Waterfront bewundern. Der Wettergott meinte es an dem Tag auch gut
mit uns, bei 25 Grad konnten wir das Wochenende am Strand ausklingen lassen,
bis es dann für mich gegen Abend wieder nach Seawinds ging, um genügend Schlaf
für die neue Arbeitswoche zu bekommen.
Ich muss sagen, ich fühle mich immer wohler hier. Die
Zeit ist rasend schnell vergangen, und ich kann kaum glauben, dass ich schon
drei Wochen hier bin, am nächsten Sonntag ist schon der erste Monat vorbei.
Auch mein Heimweh ist weniger geworden. Ich bin nur immer sehr müde, wenn ich
von der Arbeit komme, da ich teilweise über 10 Stunden am Tag im Projekt bin. Das
macht aber nichts, denn die Zeit dort vergeht immer sehr schnell. Mit den
Kindern komme ich auch gut klar, wir haben uns mittlerweile angefreundet. Die
sind aber auch immer unglaublich süß und stellen mir unzählige Fragen. So werde
ich zum Beispiel immer gefragt, wieso meine Haare so lang und so glatt sind.
Diese dienen auch häufig als Spielzeug und ich bekomme verrückte Frisuren
verpasst. Es gibt aber auch Momente, die mich zum Nachdenken bringen. Die
Kinder wollen immer, dass ich sie an der Hand halte, wenn sie über eine Reihe
Autoreifen balancieren, die rund um die Spielfläche bei Mothers Unite angelegt
ist. Ein Mädchen rennt immer sehr schnell, und ich habe aus Spaß gesagt, sie
solle doch bitte nicht so rennen, ich sei doch schon alt. Daraufhin sah sie
mich an sagte Folgendes: „Aber du bist doch weiß! Weiße Menschen können nicht
alt werden.“ Im ersten Moment war ich zu verblüfft, um darauf zu antworten,
doch als ich später versucht habe, sie vom Gegenteil zu überzeugen, beharrte
sie auf ihrer Meinung. Als ich darüber nachgedacht habe, ist mir klar geworden,
dass bestimmte Bilder, die während der Kolonialzeit erzeugt wurden, immer noch
in den Köpfen der Menschen vorhanden sind. Das ist angesichts der Tatsache,
dass wir alle durch die Globalisierung schon viel enger zusammen gerückt sind,
schon erschreckend. Ich weiß, dass ich hier vermutlich nicht alle Menschen von
ihren Vorurteilen abbringen kann, aber selbst wenn ich es nur bei einer
einzigen Person schaffe, würde diese Person vielleicht schon mit offeneren
Augen und unvoreingenommen in die Welt hinaus gehen und ihren Teil zu einer
guten Verständigung zwischen allen Nationen beitragen.
So, das war’s jetzt auch mit meiner Moralpredigt. Liebe Grüße
an alle im kalten Deutschland. Hier sollen es übrigens morgen 27 Grad werden,
nicht, dass ich euch jetzt neidisch machen will…
Kerstin
Liebe Ker, ich bin froh, dass Du Dich immer ein wenig mehr wohl fühlst. Ich hoffe, Du kannst die vielen Eindrücke gut verarbeiten. Ich hab übrigens heute bei dem Usselwetter hier (Regen, Schauer und kühl) die Heizung angemacht.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Tante Co und Olli