Nach langer Zeit mal wieder ein „Hallo zusammen“,
Ich weiß, ich habe diesen Blogpost ewig vor mir
hergeschoben. Oder vielleicht wusste ich auch nur einfach nicht genau, was ich noch
schreiben sollte. Aber beim Anschauen von alten Fotos dachte ich mir gerade
ganz nach südafrikanischer Art „come on, who needs a plan“ und schreibe jetzt
einfach drauf los.
Ich bin tatsächlich schon seit einem halben Jahr wieder
in Deutschland. Einerseits kommt es mir nicht so vor, als seien seit meiner
Rückkehr schon 6 Monate vergangen. Andererseits ist Südafrika überraschend
schnell in die Ferne gerückt. Und trotzdem gibt es häufig Momente, in denen es
mir wieder ganz nah erscheint. Wenn ich Fotos anschaue. Oder wenn ich mit
meinen Freunden und engen Bezugspersonen wie meiner Gastoma telefoniere. Wenn
ich mich mit Anderen, die auch im Ausland waren, über Erfahrungen austausche.
Und in völlig unerwarteten Momenten wie beim Schauen eines Films, der überraschenderweise
irgendwo in Afrika spielt. Oder in alltäglichen Situationen, wo ich mir manchmal
immer noch denke: Die Deutschen müssen gelassener werden. So wie die Südafrikaner!
Ich weiß, dass Vergleiche dieser Art nichts bringen.
Jedes Land und seine Bewohner sind eben so, wie sie sind. Es gibt sowohl in
Deutschland als auch in Südafrika positive und negative Seiten. Und gewisse kulturelle
Gegebenheiten oder gesellschaftliche Verhaltensweisen haben sich aus bestimmten
Gründen entwickelt und haben ihre Gründe. So nehme ich einfach hin, dass die
Deutschen ihre Ordnung und Struktur lieben und sich schnell mal aufregen, wenn
der Bus 5 Minuten zu spät kommt, während dem Südafrikaner das schnurzpiepegal
ist. Aber wie gesagt, ich vergleiche nicht. Ich nehme nur für mich mit. Von einigen
Verhaltensweisen habe ich gelernt. Und die Entwicklung, die ich in Südafrika
durchgemacht habe, wird ja nicht plötzlich wieder rückgängig, nur weil ich
wieder in Deutschland bin. Auf viele Dinge habe ich nun eine andere Sichtweise
oder bin zumindest fähig, sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten.
Zum Beispiel achte ich mehr auf bewussten Konsum, auf fairen Handel beim
Einkaufen, auf die Vermeidung von Müll, auf Philosophien von Unternehmen, bei denen
ich kaufe, auf Dinge, die ich tun kann, um hier vor Ort etwas zu verbessern.
Man muss nicht das Klischee erfüllen, „nach Afrika zu gehen und die armen
schwarzen Kinder zu retten“, um zu „helfen“ (ein Wort, dass ich sehr kritisch
betrachte und nur noch selten benutze. Helfen ist eine sehr subjektive
Angelegenheit.) Mit der Thematik habe
ich mich auch beschäftigt: Sind Freiwilligendienste überhaupt sinnvoll? Oder
Entwicklungshilfe generell? Begünstigen die Gelder, die aus Deutschland ins „arme
Afrika“ fließen, nicht nur eine neue Form des Kolonialismus, der POC’s (persons
of colour, ich versuche, politisch korrekt zu bleiben) als inferior und
unfähig, sich selbst zu helfen, darstellt? Sehr kontrovers. Würde aber jetzt
den Rahmen sprengen.
Auch wenn ich natürlich einige Denkweisen verändert habe,
ist es nicht immer einfach. In Südafrika habe ich mir wenig Gedanken darüber
gemacht, was ich noch alles machen muss. Kaum wieder in Deutschland standen die
noch nicht bearbeiteten Punkte auf der To-Do-Liste wieder im Vordergrund. Die
deutsche Gesellschaft befindet sich in einem stetigen Kampf darüber, wer am meisten
ausstehende Aufgaben hat und wer am meisten darunter leidet. Untätigkeit wird
nicht akzeptiert, Sätze wie „Ich studiere dieses Jahr noch nicht, ich weiß noch
nicht genau, was ich machen möchte“ oder „Mal schauen, vielleicht reise ich ein
wenig“ werden mit Missbilligung aufgenommen. Dieser gesellschaftliche und
dadurch gleichzeitig steigende individuelle Druck war mir vorher nie wirklich
bewusst. Und endlich verstehe ich, wie Menschen unter Burnout oder Zukunftsängsten
leiden können: Die Gesellschaft weist ihnen den Weg dorthin.
Ich habe mit Südafrika noch nicht abgeschlossen, und ich
weiß nicht, ob das jemals passieren kann oder wird. Das Jahr hat mich nachhaltig
verändert, und einige Veränderungen entdecke ich erst jetzt oder habe ich
vielleicht noch gar nicht entdeckt. Vielleicht ist das das Schönste an dieser
Möglichkeit, ein Jahr im Ausland zu verbringen: Die Erkenntnisse. Nicht das
Reisen, das „Helfen“ und das „Ich-tue-mal-auf-local“, über das man sich auf
Instagram, Facebook und diversen anderen sozialen Medien profilieren kann/muss.
Die Erkenntnisse über das Gastland, über das Heimatland, über die globalisierte
Weltgemeinschaft und zuletzt besonders über sich selbst als einen kleinen Teil
davon.
Hier noch ein wenig Inspiration zum weiterlesen:
UTOPIA:
Dieser Kurzfilm hat mich besonders bewegt, da er ganz
ohne Worte etwas sehr wichtiges aussagt. Utopia.de lohnt sich aber generell zum
Stöbern über viele interessante Themen.
SONGKRITIK:
Warum Do the
know it’s Christmas? ein noch schlimmerer Weihnachtssong ist als Last
Christmas.
Und hier ein kritisches Antwortvideo dazu:
KRITIK AN FREIWILLIGEN:
Traurig, aber leider wahr in einigen Fällen.
UND ZU GUTER LETZT…
Als Aufforderung, Spendenaufrufe und auch Zeitungsartikel
kritisch zu hinterfragen. Medien arbeiten mit Stereotypen. Man muss nicht alles
glauben. Und man sollte sich vorher richtig informieren, bevor man etwas
spendet.
“The views were
immensely wide. Everything that you saw made for greatness and freedom, and
unequealled nobility.”
― Karen Blixen, Out of Africa
― Karen Blixen, Out of Africa
Kerstin